Projektionen als falscher Spiegel unserer selbst

Projektionen als falscher Spiegel unserer selbst

von Betina Graf

Projektionen als falscher Spiegel unserer selbst

Projektion ist stets das, was mit einem selbst oder mit dem Gegenüber nichts zu tun hat. So kann es beispielsweise sein, dass wir uns in der Arbeit über unseren Vorgesetzten ärgern. Und weil wir uns unserem Vorgesetzten gegenüber unseren Ärger nicht zu äußern wagen, stülpen wir diese Wut zum Beispiel unserem Lebensgefährten oder unseren Kindern über. Das ist Projektion: ein falscher Spiegel unserer selbst.

Spiegel und Projektionen

Projektion kann sich ebenso in positiven Gefühlen anderen gegenüber äußern: Zum Beispiel wenn wir verliebt sind. Wir projizieren positive Eigenschaften, denen wir vielleicht in der aktuellen Lebenssituation besonders bedürfen, auf den Menschen, in den wir verliebt sind. Im Laufe der Zeit und des näheren Kennenlernens merken wir, dass manche dieser positiven Eigenschaften im geliebten Menschen vielleicht nicht in der Form beständig vorhanden sind, wie wir es gerne hätten. Schritt für Schritt ent-lieben wir uns. Das ist der Zeitpunkt, von dem die Psychologen sprechen, dass hier nun die Liebe einsetzen kann.

Geht überhaupt ein Leben ohne Projektion? Ich weiß es nicht. Andere Menschen rufen in uns Gefühle hervor. Diese Gefühle heißen wir willkommen oder wir reagieren mit Abwehr. Zum Beispiel, wenn wir Komplimente erhalten oder wenn (scheinbar) wir es sind, die in unserem Gegenüber Wut erzeugen.

Ich suchte dich und
habe mich gefunden.

Franz Grillparzer

Was führt zur Projektion?

Bedeutet ein Leben ohne Projektion ein Leben in Liebe? Was führt überhaupt zur Projektion? Wenn wir ganz bei uns sind, dann brauchen wir keine Projektion, und wir reagieren angemessen auf die Projektion anderer – wir nehmen diese nicht an, müssen unser Wesen demzufolge auch nicht vehement verteidigen.

Im Buddhismus würde man vielleicht von der Nicht-Anhaftung des Ich sprechen. Denn im Buddhismus ist das „Ich“ das, welches das Leid verursacht. Leid in dem Sinne einer negativen Projektion. Im Buddhismus – siehe Schaubild Buddhismus – wird der Schwerpunkt auf das Leiden der Menschen gelegt.

Das Glück und die Freude, die andere Menschen einem schenken können, tritt eher in den Hintergrund. Bedeutet es, dass wir uns auch weniger freuen können und wir auch weniger glücklich sein können, wenn wir unserem Ich nicht anhaften? Freude und Glück sind uns ja herzlich willkommen. Doch um welche Freude und welches Glück geht es hier? Und: Bedeutet die Abkehr vom Leid zugleich die Abkehr von Glücksgefühlen, und damit ein gleichgültiges Leben?


Glück im Äußeren vs. Glück im Inneren finden

Gibt es Unterschiede im Glücksempfinden? Gibt es so etwas wie ein gerechtfertigtes Glück, und ein “inadäquates“ Glück? Was wir vielleicht feststellen können ist, dass Glück, was im Äußeren hervorgerufen wird, sich leicht verflüchtigt. Zum Beispiel: wenn wir uns eine ansprechend gestaltete Zeitschrift kaufen oder einen anderen Gegenstand unserer Freude, so kennen wir sicherlich vor dem Kauf das starke Bedürfnis, diesen Gegenstand erwerben zu wollen. Nach dem Kauf ist dieses Glück schnell verrauscht. Kaum haben wir die neue Zeitschrift in der Hand, stecken wir sie in unsere Tragetasche – und schon ist das Glücksempfinden vorbei. Vielleicht blättern wir zu Hause die Zeitschrift ein bisschen durch, doch manchmal kommt es gar nicht so weit, und sie landet ungelesen auf dem Zeitschriftenstapel.

Doch wie schaut dieses andere, innere Glück aus? Wir sprechen viel vom Glück und vom Glücklichsein. Welchen Stellenwert hat die Zufriedenheit? Ist Zufriedenheit nicht einem vorübergehenden Glück vorzuziehen?


Abschaffung der Projektion über Nicht-Anhaftung an das Ich

Genau an diesem Punkt trifft sich die Fragestellung der Projektion mit dem Buddhismus. Kann man diesen Zustand der Nicht-Anhaftung an das eigene Ich nur über Meditation erreichen? Kann man Projektion nur über Meditation überwinden? Zumindest scheint es als ein mögliches geeignetes Mittel.

Warum fällt es so schwer, uns von einem „Ich“ zu lösen, das uns leiden lässt? Viele Themen greifen ineinander. In unserer westlichen Marktwirtschaft wird viel Wert auf das Kaufen gelegt. Die Werbung vermittelt uns das Glück im Äußeren. Es kommt nicht darauf an, bei sich selbst anzukommen. Wo kämen wir hin, wenn wir uns alle nur unseren inneren Werten zuwenden würden? Wenn wir ganz bei uns wären, und wenige Bedürfnisse hätten? Es würde viel weniger gekauft werden. Das wäre unserer Wirtschaft abträglich.

Und doch: unsere Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass wir frei sind, unsere eigene Richtung einzuschlagen. So sind wir frei darin, uns Themen wie Meditation zu öffnen.

Doch kommen wir zur Projektion zurück. Die Projektion abzuschaffen – unsere eigene und unsere Reaktion auf die Projektion anderer auf uns -, wäre ein sinnvolles Unterfangen. Ist wirklich der buddhistische Weg der einzige Weg? Also der Weg über die Meditation.


Bewusstwerdung und Achtsamkeit

Im Prinzip geht um Bewusstwerdung. Bewusstwerdung unserer selbst. Und genau hier treffen wir auf den Faktor Achtsamkeit. Achtsamkeit im Hier und Jetzt. Achtsamkeit bringt uns dazu, das Naheliegende wahrzunehmen. Die Bewertungsmechanismen im Kopf sind bei einer achtsamen, gegenwärtigen Wahrnehmung weitgehend ausgeschaltet. Wir leben, was im Augenblick ist. Das kann ein weiterer Schlüssel zur Übung für uns sein.

Die Übung der Achtsamkeit ist zum Beispiel in der Praxis des Zen, des Zazen, ein wesentlicher Bestandteil neben der Meditation.

So schließt sich der Kreis, alles ergibt einen Sinn. Wenn wir uns im achtsamen Gegenwärtigsein üben, und uns nicht vorwiegend äußeren Zerstreuungen ausliefern, dann entsteht ein Bewusstsein unserer selbst.

Und doch wird es viele unterschiedliche Wege zu diesem Bewusstsein geben. Zum Beispiel in der Liebe zur Natur, über sportliche Betätigungen oder andere Interessen, in denen wir uns eins mit uns und dem Leben fühlen.


Passende Sprüche zum Thema Spiegel mit Bild

In der Begegnung mit anderen Menschen offenbart sich ein Spiegelbild unseres eigenen Inneren. Jede Interaktion, jedes Gespräch, jede Beziehung ist eine Chance, sich selbst besser zu verstehen. In den Augen anderer erkennen wir unsere Stärken, unsere Herausforderungen und manchmal auch verborgene Seiten unserer Persönlichkeit. Diese Spiegelungen bieten uns wertvolle Einsichten, um zu wachsen, uns weiterzuentwickeln und unsere Beziehungen zu vertiefen.

Spruch über Loslassen: Herz wie Spiegel

Der höchste Mensch gebraucht
sein Herz wie einen Spiegel.
Er geht den Dingen nicht nach
und geht ihnen nicht entgegen.
Er spiegelt sie wider,
aber er hält sie nicht fest.

Dschuang Dsi

Spruch-ID: 2033

Wie spiegeln wir die Dinge, die uns entgegentreten, wider? Das genau ist wohl die Frage. Setzen wir den Ereignissen Widerstand entgegen, wenn sie nicht in unsere Pläne passen? Ein aktives Annehmen und liebevolles damit Umgehen ist wohl die Kunst des Herzens dabei.


Freundschaftsspruch bzw. Metapher über alten Freund

Es gibt keinen besseren Spiegel als einen alten Freund.

Volksweisheit / Volksgut

Spruch-ID: 2356


Spruch über Spiegel und Ahnenbilder

Ein Spiegel ist besser
als eine Reihe Ahnenbilder.

Wolfgang Menzel

Spruch-ID: 2508


Spruch von Betina Graf über Erkenntnis

Das, was du aus meinen Worten erkennst, liegt als Gewissheit in dir.

Betina Graf

Spruch-ID: 2543


Freundschaftsspruch über einen guten Freund

Wer einen guten Freund hat, braucht keinen Spiegel.

Freundschaftsspruch aus Indien

Spruch-ID: 2867


Spruch über den Spiegel der Selbsterkenntnis

Derjenige, den du suchst,
ist derjenige, der sucht.

Franz von Assisi

Spruch-ID: 3376


Eine Welt voller Wunder

Wenn du Märchenaugen hast, ist die Welt voller Wunder.

Victor Blüthgen

Spruch-ID: 3394


Ein ruhiger Geist

Ein ruhiger Geist wird zum Spiegel des Universums.

Dschuang Dsi

Spruch-ID: 3967

Denken Sie hierbei an klares, ruhiges Wasser, in dem man sich spiegeln kann.


Spruch über Erscheinungen und unseren Geist

Alle Erscheinungen
sind in Wahrheit
nur eigene Vorstellungen,
die wie Spiegelungen
in einem Spiegel
vom Geist selbst
erdacht wurden.

Padmasambhava

Spruch-ID: 4877


Spruch über Träume mit Bild

In Träumen,
Spiegeln und Wasser
trifft man den Himmel
und die Erde.

Chinesische Weisheit

Spruch-ID: 4900


Spruch über die Ruhe und das Glück

Bei Lichte besehen
sind Ruhe und Glück
überhaupt dasselbe.

Theodor Fontane

Spruch-ID: 2067

Stimmen Sie zu? Sind auch für Sie Ruhe und Glück Synonyme?


Gedicht von Ringo Effenberger: wie wohnst du?

Wie wohnst du?

Mach die Tür auf
zu dir
schau rein
wie du wohnst
oder ob
du schon lange unbehaust bist

Mach die Tür auf
zu dir
und tritt ein
vielleicht warst du ja selbst
schon lange
nicht mehr zu Haus

Mach die Tür auf
zu dir
und sieh nach
was sich eingenistet hat
bei dir

Nimm Platz
bei dir
und –
kündige allen
die ungebeten
hier hausen

damit du selber
Wohnung nimmst
in dir
und bitte –
lass sie offen
die Tür

Foto: © Ringo Effenberger

Ringo Effenberger

Spruch-ID: 4639


Zitate zum Thema Projektion und Spiegel, die nicht fehlen dürfen

In der Interaktion mit anderen Menschen entdecken wir oft ein Abbild unseres Selbst. Dieses Spiegelbild ermöglicht es uns, unsere eigene Natur zu reflektieren und zu verstehen. Es ist, als ob jede Person, mit der wir interagieren, uns einen Schlüssel zu verborgenen Aspekten unserer Persönlichkeit bietet. Durch das Verstehen anderer gewinnen wir Einblicke in uns selbst, lernen, was uns bewegt, und entdecken neue Wege, um persönlich zu wachsen. Dies zeigen auch die folgenden Zitate:

  • „Denn wisse, dass die Seele stets sich selbst begegnet. Man kann vor keinem Problem davonlaufen. Tritt ihm JETZT gegenüber!“ (Edgar Cayce)
  • „Ein Freund ist wie ein zweites Ich.“ (Cicero)
  • „Wer einen anderen Menschen kennenlernt, lernt zugleich sich selber kennen.“ (Volksweisheit / Volksgut)
  • „Ich liebe dich nicht nur für das, was du bist, sondern auch für das, was ich bin, wenn ich bei dir bin. Ich liebe dich für die Seiten, die du bei mir zum Vorschein bringst.“ (Elizabeth Browning)
  • „Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet – der Gute findet hier sein Paradies – der Schlechte genießt schon hier seine Hölle.“ (Heinrich Heine)
  • „Tadle dich, wie du andere tadeln würdest; entschuldige andere, wie du dich entschuldigen würdest.“ (Volksweisheit / Volksgut)