Schöne Sprüche und Weisheiten von Ringo Effenberger
zeitgenössischer Dichter, Fotograf und evangelischer Pfarrer
Ausgewählte Sprüche von Ringo Effenberger

Reif
Septemberabend fließt
rotleuchtend ins dämmrige Land.
Versöhnt nun und spielerisch reichen
Sommer und Herbst sich die Hand.
Die kühlende Luft schmeckt nach Ernte
und samtbraunem Champignon.
Durch die Felder streicht flirrend
ein goldgelber Ton.
Das Altsommerweib lächelt
erfahren und verwebend schön -
Erwartung des Herbstes formt freundliche Falten -
bereit nun die Erblühte
zum Gehn.
Ich lasse mich streicheln,
ich bleib schweigend stehn,
ergraut im Gebälk, im Herz seelenbunt.
Hinter sonnenverwöhnten Lidern verwehn
rotflammend Sommernachtsträume.
Der Herbst meines Lebens
tut sich freundlich mir kund.
Foto: Ringo Effenberger
Zeit für ein Liebesgedicht
Ich liebe deine Falten
die alten
die ich seit Jahrzehnten
schon küsse und auch
die neuen
die sich um
deine strahlenden Augen
verstreuen
O ja – deine Falten
Ich liebe am Morgen
dein Erwachen
dein Strecken,
dein Gähnen
„Nur noch fünf Minuten liegen“
in die Kissen zu kuscheln
und dich bei mir anzuschmiegen
Ich liebe es, wie du mich anschaust
wenn du willst
dass ich seh, was dir graut
und dich anlehnst
hoffend, dass es
mich nicht umhaut.
Ich liebe sogar
deine Art, unsre Tür abzuschleifen
auch wenn manchmal die Worte
die ich dafür finde
gelinde
gesagt
was andres verkünden
Und für das
was ich noch nicht
so vollkommen
an dir begreifen kann
hab ich ja Zeit
den Rest unsrer Tage
mich im lieben
zu üben
Leben (s) male!
Hab ich den Farbenkasten
meines Lebens ausgepackt
so taucht der Pinsel anfangs
tief in Grau
Im Nebel des Vergessens
gnädig eingehüllt
die Jahre als man mich hier ausgesetzt
Hat nicht gefragt was ich hier wollte
der Vater …
Denken
Ein weiter leerer Raum
begrenzt nur
von meiner Möglichkeit
zuzulassen -
in Gedanken zu fassen
wird gefüllt
vom schillernden Netz
unsichtbarer Möglichkeiten
verwehend sich verdichten
zur Gewissheit
Oder doch nicht?
Ach
Es war nur so ein Gedanke
im weiten leeren Raum
Foto: © Ringo Effenberger

Ganz bei mir
(für meine Schwester)
Und ich spüre deine Hände
auf meinem Kopf.
Und was immer du jetzt sagst
es ist mir Schalom.
Und wir werden uns verletzen.
Und wir werden uns verlieren.
Doch jeder Augenblick ist es wert,
ihn zu erleben.
Und wir werden uns finden -
immer wieder.
Und wir schlagen Wurzeln aneinander.
Schwester.
Und was sonst noch!?
Es ist gut.
Foto: © Ringo Effenberger

Wie wohnst du?
Mach die Tür auf
zu dir
schau rein
wie du wohnst
oder ob
du schon lange unbehaust bist
Mach die Tür auf
zu dir
und tritt ein
vielleicht warst du ja selbst
schon lange
nicht mehr zu Haus
Mach die Tür auf
zu dir
und sieh nach
was sich eingenistet hat
bei dir
Nimm Platz
bei dir
und -
kündige allen
die ungebeten
hier hausen
damit du selber
Wohnung nimmst
in dir
und bitte –
lass sie offen
die Tür
Foto: © Ringo Effenberger
Nachlese
Wenn zweie eine Reise wagen
gemeinsam durch das Leben ziehn
sich nicht nur Ja und Amen sagen
nicht rauher Wirklichkeit entfliehn
wenn zweie dreie, viere werden
Lachen, Tränen, Lustgeschrei
und jeder Alltag hier auf Erden
erblüht und schafft sich täglich neu
wenn Freunde kommen, Freunde geh’n
die Haare grauer, Körper runder sich gestalten
wenn wir schon bald die Zielgerade sehn
- Dann ist es Zeit mal anzuhalten!
Dann ist es Zeit, zu feiern und zu singen
und einzuladen traute Weggefährten
So lasst uns tanzen, lasst das Leben klingen
so dass es schallt weit über alle Gärten
Die ihr des Daseins Mühe mit uns teiltet
ihr ward willkommen uns als Gäste
nach kurzer Nacht auf müden Füßen ihr enteiltet
Habt Dank!
Wir sehn uns auf dem nächsten Feste.
Foto: © Ringo Effenberger

Dies Jahr
Dies Jahr
sei dir ein blühender Garten
in wüstener Zeit
Gut schwarzfeuchte Erde
um Träume zu sä`n
Eine Bank dort im Schatten
um Freunde zu sehn
Dies Jahr
rieche und dufte
nach reichreifen Tagen
Auf taufeuchten Wiesen
sei Tanz
Und wenn es vollendet sein wird
dies Jahr
sei es rund und voll
und ganz und gar ganz
Dies Jahr
mög dich Segen umfangen
und einige Disteln am Rand
zeigen dir stachlige Schönheit
Was kommen wird
lasse dich wachsen
fall nie tiefer
als in Gottes Hand

Hoch das Jahr
Nun lasst die Korken knallen
Es sei ein neuer Jahrgang auf
Schon knospt mir sein Bouquet
lässt meine Nasenflügel beben
die Seelenschleimhaut rauf
Und dann den Krug erneut gehoben
überschäumend voll und schön
gefüllt mit Lebenszeit
will gleich der erste Schluck
mir in den Kopf und in mein Herze geh‘n
Und wieder rinne Tag um Tag und
jeder Stunde Schluck in mich hinab,
so dass mein Lebensdurst gestillt sei
nicht so bald
erst wenn ich ganz erfüllt bin
setz ich ab
Der Trunk des neuen Jahres
mag lieber bitter manches Mal mich schütteln
statt klebrig süß mich lähmen
und pricklend auch und reich gewürzt mich stärken
um an der Tür Gewöhnung kraftvoll neu zu rütteln
Und stell ich dann ein letztes Mal
den Krug des Lebens vor mir ab
hab ich das Füllhorn dann geleert
im allerletzten ewgen Schluck
so schreibt nur:
Dieser hier hat voll sein Leben ausgekostet
Auf mein hölzern und vergänglich Grab